
Kronen Zeitung
AUFREGER IN DER ARD
„Being Boateng“ – Doku sorgt für mächtigen Wirbel
Ein TV-Dreiteiler über Jérôme Boateng – was einst gefeiert worden wäre, sorgt nun in Deutschland für Diskussionen. Das zeigt sich an der ARD-Doku „Being Jérôme Boateng“, die am 10. Dezember im Bayerischen Rundfunk läuft.
Grund: Zuletzt machte vor allem das Privatleben des früheren Nationalspielers Schlagzeilen. Es ging um den Vorwurf der Gewalt gegen die Mutter seiner Kinder, aber auch um die Beziehung zu seiner verstorbenen Ex-Freundin Kasia Lenhardt und um Gerichtsprozesse.
Die „Süddeutsche Zeitung“ nannte das mehr als zwei Stunden lange Werk „ein Geschenk an Jérôme Boateng“. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ schreibt „In ARD-Doku läuft vieles gut für ihn“ und bemängelt Einseitigkeit und Oberflächlichkeit. Inzwischen können sich Interessierte selbst ein Bild machen, die drei Teile stehen in der ARD-Mediathek: „Gegen alle Widerstände“, „Ins Rampenlicht“ und „Vom Helden zum Angeklagten“.
Im Blickpunkt: Boateng selbst
Die Dokumentation fokussiert sich überwiegend auf die Karriere des Fußballtalents. Ehemalige Trainer, Jugendfreunde und Sportjournalisten berichten über seine Entwicklung, seine Erfolge beim FC Bayern und in der Nationalmannschaft sowie über Herausforderungen wie Leistungsdruck, Medienaufmerksamkeit und Rassismus im Fußball. Boateng selbst erzählt ausführlich von Kindheit, Jugend und seinem sportlichen Werdegang.
Erst im zweiten Teil erfährt man mehr über private und juristische Kontroversen. So wie seine rechtskräftige Verurteilung wegen vorsätzlicher Körperverletzung seiner Ex-Freundin und Mutter seiner Zwillinge. Das Landgericht München I hatte Boateng 2024 deshalb schuldig gesprochen, aber eine Geldstrafe nur unter Vorbehalt verhängt und ihn nur verwarnt. Das bedeutet, dass Boateng – ähnlich wie bei einer Freiheitsstrafe auf Bewährung – eine Strafe von 200.000 Euro nur zahlen muss, wenn er gegen seine Auflagen verstößt.
„Wir haben hier nicht den schlimmen Frauenschläger“, sagte die Vorsitzende Richterin damals. „Wir haben hier einen Menschen, der einmal in einer Beziehung über Gebühr ausgerastet ist.“ Boateng hatte vor Gericht eingeräumt, seine Ex-Freundin geschubst zu haben. Im Film schweigt er dazu.
Kasia Lenhardt und das Bild-Interview
Stattdessen äußert sich der 37-Jährige zu seiner Beziehung zu Kasia Lenhardt, die 2021 – kurz nach einem „Bild“-Interview Boatengs – Suizid begangen hatte. Im Film nennt er dieses Interview einen Fehler: „Was deutlich und klar für mich ist, ist, dass ich die Situation im Nachhinein falsch eingeschätzt habe und damit einfach besser hätte umgehen müssen.“ Dieser Fehler werde ihn sein Leben lang begleiten.
Boateng hatte mit der „Bild“ kurz nach der Trennung unter anderem über Auseinandersetzungen in der Beziehung gesprochen. Im Februar 2021 gab Lenhardts Familie über einen Anwalt ihren Tod bekannt. Die Polizei in Berlin bestätigte einen Einsatz bei einer leblosen Person, bei der es keine Anzeichen für Fremdeinwirkung gebe.
Kritik der Familie
Markus Hennig, Anwalt der Familie Lenhardt, sagte der dpa, seine Mandantin sei um eine Stellungnahme gebeten worden. „Dieses Angebot wurde abgelehnt, verbunden mit der eindeutigen Bitte, das Thema Kasia Lenhardt nicht aufzugreifen und nicht einmal den Namen zu verwenden“, so Hennig. Eine Antwort darauf habe er nicht erhalten. „Sollte die Dokumentation die Ereignisse um meine verstorbene Mandantin verwerten, wäre das die bewusste Ausbeutung eines Todesfalls und ein Hinwegsetzen über den Wunsch der Familie, mit der Sache endlich abschließen zu können“, so Hennig vor der Ausstrahlung.
Auf Nachfrage der dpa betonte die ARD, dass die Doku multiperspektivisch sowohl Boatengs sportliche Karriere als auch gesellschaftliche Diskussionen beleuchte. „Der Tod von Kasia Lenhardt war ein Ereignis, das weit über den Einzelfall hinaus Fragen zu öffentlicher Kommunikation, medialen Dynamiken und Verantwortung aufwirft. Die Doku-Machenden haben den Wunsch der Familie, den Namen und die Person Kasia Lenhardt nicht einzubeziehen, ernst genommen“, hieß es.
Wesentliche Informationen über die Lebenssituation der Verstorbenen seien bereits durch die Familie selbst öffentlich bekannt. „Die Doku-Machenden sind in der Dokumentation ausschließlich auf öffentlich bekannte, verifizierbare und journalistisch zwingend erforderliche Sachverhalte eingegangen“, so die ARD.
Wenn keiner vor die Kamera will
Die Filmemacherinnen stützen sich überwiegend auf Menschen, die Boatengs Weg begleitet haben wie Trainer, Freunde oder Sportreporter. Allerdings war es nicht so leicht, Gesprächspartner zu finden. Regisseurin Annette Baumeister erklärte der „Süddeutschen Zeitung“ das eigentliche Ziel: eine Biografie aus unterschiedlichen Perspektiven zu schildern. Doch wenn die Gegenseiten nicht bereit seien zu sprechen, werde es schwierig. Und auch für Boateng müsse es „Resozialisierung geben, einen Weg zurück in die Gesellschaft“.
Boateng, der seine Profikarriere im September beendet hat, sagt am Ende der letzten Folge: „Ich wollte einfach meine Sichtweise nach all den Jahren mitteilen, das war mir einfach wichtig nach der ganzen Zeit“, erklärt er und fügt an: „Ich hab‘ daraus gelernt.“
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Bild: APA/EXPA/UWE WINTER















